Montag, 12. September 2011

Das Schicksal der Slowenen in Italien

Die Ansiedlung der Slowenen in Italien reicht bis ins 6. Jahrhundert zurück. In der k.u.k.-Zeit lebten Slowenen, Italiener und deutschsprachige Österreicher im wesentlichen friedlich zusammen. Ausnahmen dabei waren die Städte Tri­este (Trst) und Gorizia (Gorica), wo sich aus wirtschaftlichen Gründen schon sehr bald eine Kluft zwischen dem italienischsprachigen Zentrum und der slo­wenischsprachigen Umgebung entwickelte.
Ein Bild von der ethnischen Zusammensetzung gibt uns die Volks­zäh­lung von 1910. Damals zählte Triest 230.000 Einwohner, davon 12.000 Deutsche, 160.000 Italiener und etwa 60.000 Slowenen. In Gorizia und Gradisca lebten 260.000 Untertanen des Kaisers. Es lebten dort 4.500 Deutschsprachige, 90.000 Italiener und 150.000 Slowenen.
Nach dem 1. Weltkrieg
In einem Interview mit dem slowenischen Schriftsteller Boris Pahor äußerte sich dieser zum Thema Slowenische Minderheit: "Vor dem Ersten Weltkrieg wurde überhaupt nicht von Minderheiten gesprochen. Die Slowenen waren ein Bevölkerungsteil wie viele andere. In Triest gab es damals mehr SLowenen als in Lubljana".
Mit dem Zerfall der Habsburger Monarchie 1918 endete auch die slowenische Einheit. Wegen des nach dem Ersten Weltkrieg festgelegten neuen Grenz­ver­laufs lebten 400.000 Slowenen (Italien), 90.000 (Österreich) und 7.000 (Un­garn) außerhalb des neuen Königreichs der Slowenen, Kroaten und Serben. Nach dem Londoner Vertrag von 1915 besetzte Italien die Gebiete um Trieste und Gorizia sowie das Kanaltal, die bis zu diesem Zeitpunkt Teil der Öster­rei­chisch-Ungarischen Monarchie waren.
Die Slowenen von Venetien hofften zunächst, dass sie in Italien jene Rechte be­kom­men würden, die sie im k.u.k. Österreich-Ungarn nicht hatten. Bald mussten sie merken, dass sich daran nichts änderte.
Nach dem Anschluss an das italienische Königreich war die Stadt Triest schon vor der Machtübernahme Mus­solinis zum Schau­platz nationalistischer anti­slo­weinischer Angriffe ge­wor­den. Die "Arditi" (wörtlich: "Die Mutigen"), rechts­radikale Vorboten der Faschisten, verwüsteten sozia­lis­ti­sche Parteilokale, Bi­bliotheken und Redaktionen slowenischer Zeitungen.
Unter dem Faschismus übernahm Italien keinerlei inter­na­tio­na­le Ver­pflich­tungen zum Schutz der Minderheiten. Ganz im Gegenteil: Das seit 1922 re­gierenden faschistische Regime strebte die gezielte Assimilierung der sla­wischen Volksgruppe an. Um dies zu erreichen, wurden Ita­lie­ner in der Re­gion angesiedelt und gezielte Italienisierungsmaßnahmen ergriffen. Die slo­wenische Spra­che wurde in der Öffentlichkeit verboten, slowenische Auf­schrif­ten entfernt, slowenische Organisationen aufgelöst, slowenische Schulen – unter österreichischer Herrschaft war der Unterricht immerhin mutter­sprach­lich ausgerichtet – un­terdrückt. Die Kinder sollten von Anfang an italienisiert werden. Das Eigentum der slowenischen Unternehmen und Insti­tu­tio­nen wur­de systematisch eingezogen. Slowenische Bücher wur­den öffentlich ver­brannt. Die slowenisch Presse wurde zuerst durch Verwüstungen der Re­dak­tionen und Druckereien schikaniert, schließlich ganz verboten. Durch diese Ver­folgungen kam es zu einer Auswanderungswelle, beson­ders von den slowe­ni­schen Eliten.
Am 13. Juli 1920 wurde das slowenischen Kulturhauses in Triest, der "Narodni Dom", als eines der nationalen Symbole der Slowenen von den Faschisten nie­der­ge­brannt. Die offizielle Ausrede war, dass es sich um eine Vergel­tungs­maß­nahme handelte, nach­dem bei Unruhen in Split zwei italienische Soldaten von jugoslawischen Si­cher­heitskräften erschossen worden waren.
In diesen Jahren wurden die Ortsnamen italienisiert, den Pfarrhäusern wur­den die Standesregister konfisziert, um die slawischen Namen zu eliminieren, die Faschisten verschonten nicht einmal die Grabsteine. Nichts sollte mehr be­zeu­gen, dass in Italien auch andere Nationalitäten lebten. Größere Orte bekamen einen Podestà (Amtsbürgermeister), der nicht selten aus Süditalien kam, kein Wort Slowenisch verstand und von der Geschichte des Ortes keinerlei Kennt­nisse hatte.
Im Unterschied zu den Deutschen in Südtirol gab es von Seiten der Slowenen der Venezia Giulia (Friaul) gewaltsamen Widerstand gegen den faschistischen Terrorn. Die erste Widerstandsbewegung "Orjuna" wurde vom Königreich Ju­go­slawien unter­stützt. Ihr folgten Aktionen junger nationalistischer Kämpfer, die verschiede Anschläge verübten und sich mit den faschistischen Milizen Feuergefechte lieferten.
Nach dem 2. Weltkrieg
Es gibt Schätzungen, dass es in Italien noch etwa 80.000 Slowenen gibt. In 36 Gemeinden der Region Friuli Venezia Giulia (Friaul-Julisch Venetien) wird heu­te noch Slowenisch ge­spro­chen, unter anderem im Kanaltal, in der Beneška Slovenija, im Resia-Tal, in Gorizia, in der Provinz Gorizia und in der ganzen Provinz Triest. Alle diese Gebiete sind zwei- bzw. mehrsprachig. Während die Slowenen in der Provinz Udine (Slavia Friulana) keine gesetzlich verankerten Rechte genießen, sind die Slowenen in Gorizia berechtigt, eigene Schulen zu führen. Die besten Minder­hei­ten­rechte genießen die Slowenen in Triest, ver­an­kert in einem Sonder­gesetz nach dem Londoner Memorandum aus dem Jahr 1954.
Weitere Schutzmaßnahmen, die sich auf das ganze Ge­biet von Friaul-Julisch-Venetien beziehen, wurden 1975 im Osimo-Vertrag zwischen Italien und Ju­goslawien festgelegt. Die slowe­ni­sche Minderheit hat in Triest das Recht, in öffentlichen Ange­le­gen­heiten bei admi­nis­tra­ti­ven und gesetzlichen Körper­schaf­ten ihre Sprache zu verwenden und eben­so eine slowenische Antwort (direkt oder mittels Dol­metscher) zu be­kom­men. Dasselbe Recht wird auch in einigen Gemeinden von Gorizia an­erkannt, jedoch nicht in Udine.
Öffentliche Aufschriften (einschl. Ortsnamen) finden man nur selten. Obwohl es eine slowenische politische Partei gibt, ziehen es viele Slowenen vor, in den Listen der Mehr­heits­parteien zu kandidieren. In Gorizia und Triest gibt es öffentliche slowenische Kinder­gär­ten, die vom Staat oder von der Gemeinde finanziell unterstützt werden. In Gorizia und Udine gibt es einige Grundschulen mit slowenischer Unter­richts­spra­che, die ebenfalls finanzielle Unterstützung erhalten. An den Schulen mit italienischer Unter­richts­sprache ist Slowenisch aber kein Unterrichtsfach. In Gorizia und Triest gibt es alle Arten höherer staatlicher Schulen mit slowenischer Unterrichts­spra­che, während es in Udine keine einzige solche Schule gibt.
Es gibt slowenische Radiosendungen. Die von einem Gesetz aus dem Jahr 1975 vorgesehene Fernsehstation, die auf slowenisch sendet, gibt es noch im­mer nicht.
Ende 2007 traten weitere Verbesserungen in Kraft, wie beispielsweise zwei­sprachige Personalausweise und der "Einheitsschalter", eine zentrale Anlauf­stelle bei Behörden, zur vereinfachter Abwicklung der staatlichen Dienst­leis­tungen in slowenischer Sprache.

 Quelle:
http://www.mein-italien.info/geschichte/slowenen.htm

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